Gallen
Ein
interessantes biologisches Phänomen

Diese
Gallen (Cecidien) sind abnorme
Veränderungen von Pflanzenteilen wie Wucherungen, Verdickungen oder
blasige Gebilde auf
Blättern, an Stängeln oder Wurzeln. Die fleischigen, kugeligen
oder zipfligen Objekte sind das Werk von Bakterien, Fadenwürmern, Milben
oder Insektenlarven. Fast jede höhere Pflanzenart besitzt einen
Gallenerreger aus dem Tier- und Pflanzenreich. Auf den meisten können sogar
zahlreiche verschiedene gallenerzeugende Organismenarten leben.
Weltweit sind mehr als 15.000 Gallen bekannt.
Die kleinen Bauherren liefern dem Baum oder Strauch den Plan, wie das Haus
auszusehen hat. An den eigentlichen Baumaßnahmen zur Errichtung der Galle
beteiligen sie sich nicht, vielmehr zwingen sie die Pflanze mit
Botenstoffen, ihnen ein schützendes Dach über dem Kopf einzurichten, indem
sie die Entwicklung von Pflanzenteilen umprogrammieren.
Gallwespenweibchen
legen z.B. ihre befruchteten Eier einzeln an die Blattunterseite junger
Eichenblätter. Die daraus schlüpfenden Larven benetzen kleine Areale an den
Blattrippen mit Speichel. Dieser enthält Wirkstoffe, die das Blatt
veranlassen, rund um die Larven Gallen zu bilden. Die Gallbildung ist eine
Abwehrreaktion der Pflanze, um den Schaden durch den Parasiten lokal zu
begrenzen. Im Inneren der Behausung entwickelt sich die Nachkommenschaft gut
geschützt in einer Kammer. Vom Wirt werden die Larven bestens mit
Nährstoffen (Kohlenhydrate) versorgt. Im Herbst, wenn der Baum seine Blätter
abwirft, segeln sie mit „Haus“ und „Grundstück“ sanft auf den Boden, wo sie
sich verpuppen. Dann beginnt der Zyklus von vorn.
Andere sehr häufig zu sehende Gallenarten sind der durch einen Schlauchpilz
verursachte Hexenbesen an Birken, Gallen der Gemeinen
Rosenblattgallwespe an verschiedenen
Wildrosenarten sowie
Pusteln
des Birnengitterrostes an Birnenblättern.
Die vielfältigen
Anpassungen zwischen Wirt und Erreger haben sich in einer langen
Entwicklungsgeschichte gebildet. Ganz ohne Gegenwehr ergeben sich die
Pflanzen allerdings nicht. Im Gallgewebe produzieren sie
überdurchschnittlich viel Gerbstoffe, welche die Nährstoffversorgung der
Larven blockieren. Daraufhin setzen die Larven ihrerseits Gegenmittel ein,
welche die Gerbstoffe unschädlich machen. Die Pflanze verstärkt dann noch
einmal die Gerbstoffproduktion. Das macht sich der Mensch zu Nutze. Aus dem
hohen Gerbstoffgehalt der Gallen gewinnt er Gallussäure, die auch heute noch
zum Gerben von Leder verwendet wird.
Aus Pflanzengallen wird auch die wertvolle Eisengallustinte hergestellt. Sie
ist absolut lichtecht und wird zum Unterzeichnen von Staatsverträgen
benutzt.
Gallen stellen für die
Larven zwar ein gut gegen Außeneinflüsse geschütztes System dar, allerdings
bleiben sie manchmal nicht völlig unbehelligt. Die Larven parasitischer
Insekten wie Erzwespen können z.B. den eigentlichen Gallbewohner töten. Die
aus der Galle schlüpfenden Insekten sind folglich nicht immer die
gallerregende Tierart. Verlassene Gallen können auch Ohrwürmer, kleine Käfer
oder andere Tiere später als Wohnraum nutzen. Gallen stellen also kleine
Lebensgemeinschaften dar, in denen sich viele interessante biologische
Vorgänge abspielen.
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Beobachtungstipp:
Der Wanderer kann, die vielfältigen
Strukturveränderungen an den Pflanzen überall am Wegesrand beobachten.
Besonders viele
Gallen finden sich in Parks, an allein
stehenden Bäumen und Sträuchern oder an Waldrändern. An Eichen und Weiden
leben besonders viele gallbildende Insekten. Auch der Laie entdeckt sehr
schnell die auffallenden Missbildungen. |